Bei dem Goldenen Schnitt handelt es sich um ein Teilungsverhältnis von Strecken. Dieses Teilungsverhältnis wird als besonders harmonisch und anziehend empfunden und wurde bereits in der Antike von Künstlern und Bildhauern eingesetzt. Wer aufmerksam durch die Welt streift, findet diese „göttliche Proportion“ in der Natur und im menschlichen Körper, in der Architektur, in der Typografie und in der Gestaltung und sogar in der Musik. Für Gestalter stellt der Goldene Schnitt in mehrfacher Hinsicht eine gute Hilfe bei Strecken- und Raumaufteilungen dar.

Der Goldene Schnitt und seine Konstruktion

Die Konstruktion des Goldenen Schnitts lässt sich entweder einfach, aber auch sehr komplex erklären. Wir beginnen mit der einfachen Version: Man unterteilt eine Strecke so, dass sich das Verhältnis der kleinen Strecke zur größeren Strecke genauso verhält wie das Verhältnis von der größeren zur Gesamtstrecke. Die daraus resultierende Verhältniszahl lautet 1,61803398874… und wird Phi genannt, eine irrationale Zahl.

Weitere Konstruktionsarten

Seit vielen Jahrhunderten wird mit dem Goldenen Schnitt gearbeitet, und so haben sich auch verschiedene Konstruktionsarten gebildet. Das klassischen Konstruktionsverfahren mit innerer Teilung  ist eines der leicht zu verstehenden Vorgehensweisen, aber weitere Verfahren nach Euklid, nach Kurt Hofstetter oder nach Georg Odom sind ebenfalls bekannt. Beim klassischen Konstruktionsverfahren mit innerer Teilung wird wie folgt gearbeitet:

Wir zeichnen eine waagerechte Strecke von Punkt A bis Punkt B. Auf Punkt B startet eine Senkrechte, die halb so lang ist wie AB; das Ende dieser Strecke ist Punkt C. Wir zeichnen nun einen Kreis, der seinen Mittelpunkt bei C hat und einen Radius von BC aufweist. Dadurch entsteht auf der Strecke AC ein neuer Punkt namens D. Ein zweiter Kreis wird gezeichnet; sein Mittelpunkt ist A und sein Radius beträgt AD. Dieser Kreis schneidet unsere erste Waagerechte AB und unterteilt sie damit im Goldenen Schnitt.

 

Rechenbeispiel

Sie möchten einmal proberechnen?

Ihre Gesamtstrecke beträgt 10 cm; eine Unterteilung in zwei Teilstrecken nach dem Goldenen Schnitt ergibt einen Wert von 6,18 cm für a und 3,82 für b.
(10 : 1,618 = 6,18)

Ihre längere Strecke a beträgt 15 cm und sie möchten b errechnen? b beträgt 9.27 cm, die Gesamtlänge beträgt 24,27 cm.
(15 : 1,618 = 9,27)

Ihre kürzer Strecke b beträgt 8 cm und Sie möchten a errechnen? a weist eine Länge von 12,94 cm auf.
(8 x 1,618 = 12,94)

Wer lieber rechnen lassen möchte, kann diesen Rechner verwenden: https://jumk.de/goldener-schnitt/

Goldene Geometrie: Rechteck, Dreieck, Winkel und Spirale

Auch das gibt es: ein Goldenes Rechteck. Dabei handelt es sich um ein Rechteck, dessen Seitenverhältnisse dem Goldenen Schnitt entsprechen. Beim Goldenen Dreieck handelt es sich um ein gleichschenkliges Dreieck, bei dem die beiden gleichschenkligen Seiten das Streckenverhältnis des Goldenen Schnitts aufweisen. Für den Goldenen Winkel teilt man die 360 Grad eines Kreises gemäß des Goldenen Schnitts. Und bei der Goldenen Spirale handelt es sich um eine Spirale, deren Wachstum sich am Goldenen Schnitts orientiert. Genauer gesagt wächst sie pro Viertelumdrehung um den Faktor Phi und erinnert uns an die Nautilusmuschel.

das Goldene Rechteck

das Goldene Dreieck

der Goldene Kreis

 

die Goldene Spirale

Der Goldenen Schnitt und seine Geschichte

Eine erste überlieferte Beschreibung des Goldenen Schnittes (noch unter anderem Namen) stammt vom griechischen Mathematiker Euklid, der ca. 300 v Chr. lebte. Allerdings geht man davon aus, dass das Teilungsverhältnis bereits zuvor auch in anderen Gebieten wie China angewendet wurde. Speziell in der Renaissance mit ihrer Wiederbelebung der Kultur aus der griechischen und römischen Antike stellte man den Goldenen Schnitt auch in einen philosophischen Zusammenhang. Man findet ihn in Schriften von Mathematiker Luca Pacioli sowie in Werken von Künstler wie Leonardo da Vinci und Albrecht Dürer.

Der Goldene Schnitt und die Fibonacci-Folge

Mit der Fibonacci-Folge hat der Mathematiker Leonardo von Pisa, auch Fibonacci genannt, Anfang des 13. Jahrhunderts eine Zahlenreihe entwickelt, die den Zahlen des Goldenen Schnitts ähnelt. Bei dieser Zahlenreihe, die basierend auf der Populatoin von Kaninchen entstand, ist die nächste Zahl die Summe der zwei vorhergehenden Zahlen.

1+0=1
1+1=2
1+2=3
2+3=5
3+5=8
5+8=13

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Blätter, Blüten, Käfer, Tannenzapfen – in der Natur finden Sie unzählige Beispiele für die Schönheit und Harmonie der ästhetischen Raumaufteilung. Der Goldene Schnitt findet sich zum Beispiel in Blättern von Blumen und Pflanzen.

Wenn Sie architektonisch stöbern möchten, dann betrachten Sie die Cheops-Pyramide bei Gizeh, der Tempel Panthenon auf der Akropolis, das Taj Mahal in Indien, den Königsplatz in München, die Frankfurter Paulskirche, die Berliner Nationalgalerie, das Alte Museum auf der Museumsinsel, das Konzerthaus, den deutschen oder den französischen Dom. Auch wenn gerade bei antiken Bauten häufig der Nachweis fehlt, dass die Proportionen des Goldenen Schnitts bewusst oder intuitiv angewendet wurden – die harmonische Wirkung ist nicht zu übersehen.

Auch in der Fotografie ist der Goldene Schnitt ein Begriff und kann bei der Bildaufteilung beziehungsweise bei der Platzierung von Motiven unterstützen. Meist wird hier jedoch großzügig gerundet und mit der Drittelregel gearbeitet. Mehr dazu finden Sie in unserem Artikel Spannendere Fotos dank gutem Bildaufbau.

Berechenbare Schönheit

Aber nicht nur in der Kunst, in der Architektur oder in der Natur sucht man danach. Laut dem „Goldenen Schnitt der Schönheit“ lassen sich auch Gesichter nach dem Verhältnis von 1:1,61 scannen und bewerten; je näher die Ergebnisse der Streckenteilungen an 1,61 liegen, umso „schöner“ soll das Gesicht empfunden werden.

Goldener Schnitt in Gestaltung und Layout

Das Papierformat basiert üblicherweise auf den DIN-Formaten, was wiederum Preisvorteile im Druck hat. Wer davon abweichen möchte, kann auch ein Papierformat basierend auf dem Goldenen Schnitt bzw. der Fibonacci-Reihe verwenden. Auch bei der Satzspiegelfindung gibt es verschiedene Konstruktionen: die Linienkonstruktion, die Neuerteilung und eben auch die Satzspiegelberechnung nach dem Goldenen Schnitt, über die Sie im Artikel Satzspiegel-Crashkurs: So gestalten Sie harmonische Layouts mehr erfahren können.

Wer für die Raumaufteilung mit einem Gestaltungsraster als Ordnungssystem arbeitet, kann ebenfalls auf die Harmonie der Proportionen zurückgreifen und anhand dessen Flächen oder Objekte platzieren. Im besten Fall basieren dann Papiergröße, Satzspiegel und Gestaltungsraster gemeinsam auf den ausgewogenen Maße.

Logo-Design im Goldenen Schnitt

Der Goldene Schnitt dient häufig auch als Basis im Logo-Design. Wer genauer hinsieht, wird das eine oder andere Logo entdecken, dass auf einem Wert von 1:1,61 basiert wie zum Beispiel das von Twitter, von Apple oder von icloud.

Die Maße der Schönwetter-Wolke von icloud basieren – leicht gerundet – auf drei verschieden großen Kreisen, deren Größenverhältnis 1:1,618 beträgt. Genau genommen handelt es sich um zwei Kreispaare im ästhetischen Teilungsverhältnis. Auch weisen die Außenmaße des Logos (Breite zu Höhe) ein Verhältnis im Goldenen Schnitt auf.

Das icloud-Logo
Der Goldene Schnitt ist auch im icloud-Logo zu finden. Die Wolkenform basiert auf zwei Kreispaaren, deren Größenverhältnisse entsprechend gewählt sind (Mitte). Die Seitenverhältnisse von Breite und Höhe stehen ebenfalls im Verhältnis von 1:1,618.

 

 

Auch wenn wissenschaftliche Belege fehlen und immer wieder zu lesen ist, dass der Goldenen Schnitt und sein ästhetischer Wert überschätzt wird, arbeiten wir Gestalter trotzdem häufig intuitiv mit diesen Proportionen – und empfinden sie als schön.

 

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