Zeilenabstand

Im elften Teil unserer Reihe zur Typografie betrachten wir die Bedeutung des Zeilenabstands. Der Zeilenabstand definiert den Abstand der Textzeilen von aufeinanderfolgenden Zeilen, also den Abstand von Grundlinie zu Grundlinie beziehungsweise von Schriftlinie zu Schriftlinie. Viele bezeichnen den Abstand auch gerne als Zab.

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Größeneinheiten und Schreibweisen

Der Zeilenabstand wird in professionellen Layoutprogrammen wie Adobe InDesign in Punkt angegeben. Andere Einheiten sind in InDesign ebenfalls möglich, indem Sie den Wert inklusive der Abkürzung für die gewünschte Einheit eintragen. Wer also nur die Zahl „12“ eingibt, legt sich auf 12 Punkt fest. Tragen Sie „5mm“ ein, meinen Sie hingegen 5 Millimeter. InDesign rechnet die Millimetereingabe allerdings sofort wieder in Punkt um.

Nehmen wir an, die Schriftgröße eines Textes beträgt 10 Punkt und der Zeilenabstand beträgt 12 Punkt: Bezeichnet wird dies als „10 auf 12 “, die Schreibweise für eine solche Angabe ist 10/12.

Beispiel von einem Zeilenabstand

In Textprogrammen, wie Word, lässt sich der Zeilenabstand häufig auch als ein Vielfaches angeben. Beispielsweise lässt sich hier die Größe unter anderem als Einfach, 1,5-fach oder doppelt definieren – feste Punkteingaben sind aber auch möglich.

Der Durchschuss

Gerne mal wird heute der Zeilenabstand mit dem Durchschuss gleichgestellt. Das ist allerdings falsch, denn Zeilenabstand und Durchschuss sind zwei verschiedene Räume. Als Durchschuss bezeichnete man im Bleisatz den nicht druckenden Raum, das sogenannte Blindmaterial, der zwischen die Zeilen gelegt wurde. Die Dicke dieses Stegs erweitert also den Abstand zwischen der Unterkante der p-Linie und der Oberkante der Versalien bzw. der Oberlänge. Auf unseren Text in 10/12 Punkt übertragen entspricht der Durchschuss also 2 Punkt.

Unterschied Zeilenabstand und Durchschuss

Text mit sehr geringem Durchschuss bezeichnet man übrigens auch kompress, mit einem großzügigen Durchschuss nennt sich der Text splendid.

Größe des Zeilenabstandes

Wie viele andere Räume ist auch der Zeilenabstand ein Puzzleteil im gesamten Schriftbild-Puzzle. Nur bei einer angemessenen Größe entsteht ein harmonisches und gut lesbares Schriftbild, das die Informationsaufnahme möglichst leicht macht.

Beispieltext

Im Beispiel ist die Minion zu sehen in 10/12 Punkt, das entspricht 120 Prozent. Für einen längeren Fließtext ist dieser Zeilenabstand eine gute Entscheidung

Wenn Sie einen zu geringen Zeilenabstand wählen, entstehen nur kleine Freiräume, der Grauwert wird zu dunkel und die Lesbarkeit erschwert. Besonders bei längeren Zeilen muss der Leser auf der Hut sein, dass er bei einem Zeilenwechsel mit den Augen in die richtige Zeile springt. Dieser Weg, den man übrigens wie beim Golf den Rückschwung nennt, muss eine optimale Länge haben.

Beispieltext mit geringem Zeilenabstand

Hier hat die Minion einen Zeilenabstand von 10,5 Punkt erhalten. Die Abstände sind zu eng, der Grauwert zu dunkel

Auch ein zu großer Zeilenabstand kann negative Folgen haben. Der Text wirkt dann schnell zusammenhangslos, der gesamte Satz fällt optisch auseinander und der benötigte Rückschwung ist zu groß, um vom Leser ohne Anstrengung bewältigt zu werden.

Beispieltext mit großem Zeilenabstand

In diesem Beispiel wurde mit 10/16 Punkt gearbeitet. Der Raum zwischen den Zeilen, der Durchschuss, wirkt zu groß und der Textblock fällt optisch auseinander

Der Zeilenabstand in der Praxis

Wie Sie sicherlich schon selbst oft genug erfahren haben, weist eine Schrift, die auf eine Größe von 10 Punkt eingestellt wird, nicht eine messbare Höhe von 10 Punkt auf. Die eingestellten 10 Punkt Schriftgrößen entsprechen vielmehr einer Kegelhöhe von 10 Punkt. Die tatsächliche Texthöhe ist in der Regel kleiner – wie viel kleiner ist abhängig von der gewählten Schrift und ihrer jeweiligen Kegelausnutzung. Je größer die Kegelausnutzung, desto größer muss auch der Zeilenabstand im Verhältnis zur Schriftgröße sein. Somit ist es nicht möglich, eine generelle Empfehlung für den richtigen Zeilenabstand auszusprechen. Nicht immer sind 10/12 Punkt oder 14/16 Punkt eine gute Wahl.

Beispieltext in kursiver Schriftart

Die Itallianno in 10/12 Punkt hat eine geringe Kegelausnutzung, die messbare Schrifthöhe ist also relativ gering. Die x-Höhen sind ebenfalls eher klein und lassen noch mehr Weißraum entstehen. Hier wirken die 12 Punkt Zeilenabstand fast etwas zu groß.

Die Schrift CF Jack Story, ebenfalls in 10/12 Punkt hat eine große messbare Schrifthöhe und zudem eine sehr große x-Höhe. Somit entsteht deutlich weniger Weißraum, der Grauwert ist relativ dunkel – ein etwas größere Zeilenabstand würde hier gut tun.

Besonderheiten: Headlines und der Zeilenabstand

Grundsätzlich gilt: Je größer die Schrift, umso kleiner im Verhältnis können Sie den Zeilenabstand wählen. Im Beispiel ist links eine Headline in 90 Punkt mit einem Zeilenabstand von 120 Prozent, also 108 Punkt, zu sehen. Die freien Räume, die durch den Zab entstehen, wirken zu groß. Es kommt erschwerend hinzu, dass es sich üblicherweise bei Texten, die in solchen Größen gesetzt werden, um wenige Worte oder Zeichen pro Zeile handelt. Die kurzen Zeilen plus eine links- oder rechtsbündige Ausrichtung mit kurzen Ausgangszeilen sorgen zusätzlich für freien Raum und eine offene Wirkung. Der Zab kann also deutlich verkleinert werden, siehe Beispiel rechts auf 90/90 Punkt.

 

Besonderheiten: Versalsatz und der Zab

Wer denkt, dass der Versalsatz einen kleineren Zab vertragen kann, weil die Unterlängen fehlen, hat zunächst richtig gedacht. Handelt es sich um nur wenige Versalsatz-Worte im Flattersatz ähnlich wie bei einer Headline oder einem kurzen Zitat, können Sie den Zab verkleinern.

Die Regel lässt sich aber dann nicht mehr anwenden, wenn es sich um einen längeren Textblock in Fließtextgröße handelt. Zwar fehlen die Unterlängen, jedoch nehmen die Versal-Glyphen deutlich mehr Raum ein als Buchstaben, die teilweise nur aus Mittellängen bestehen, wie das „E“, „A“ oder „O“. Somit entsteht schnell ein voller und überladend wirkender Eindruck und ein zu dunkler Grauwert (reiner Versaltext ist nicht besonders lesefreundlich), sodass man mit einem unveränderten oder sogar größeren Zab die Lesefreundlichkeit wieder erhöhen kann.

Beispieltext in Versalien

Im Beispiel sehen Sie die Minion Pro mit 10/12 Punkt. Auf keinen Fall sollte man diesen Zeilenabstand verringern

InDesign und der Zeilenabstand

In InDesign ist ein Zeilenabstand von 120 Prozent voreingestellt. Die 120 Prozent sind wahrscheinlich der kleinste gemeinsame Nenner, auf den sich der „allgemein beste Zab“ herunterbrechen lässt. Somit wird bei einer Schriftgröße von 10 Punkt automatisch ein Zab von 12 Punkt definiert. Verkleinert man die Größe des Fließtextes auf 9 Punkt, erhält man einen Zab von 10,6 Punkt. Bei einer Schriftgröße von 12 Punkt wird ein Zab von 14,4 Punkt erzeugt. Den automatischen Zab erkennen Sie übrigens an der runden Klammer um die Zahl.

Zeilenabstand einstellen

Um den Zeilenabstand in InDesign einzugeben, können Sie

  1. einen festen Wert eingeben. Ohne die Eingabe einer Einheit verwendet InDesign diesen Punkt. Den Wert können Sie im Fenster Steuerung, im Fenster Zeichen oder als Absatz- oder Zeichenformat definieren.
  2. den automatischen Zeilenabstand von 120 Prozent verwenden. Der Nachteil hierbei ist automatisch auch der Vorteil: Sie arbeiten mit einem sich automatisch verändernden Wert. Der Automatismus kann praktisch sein, um einen Arbeitsschritt zu sparen, ist aber auch lästig, wenn man nur die Schriftgröße, nicht aber den Zab verändern will. Ein weiterer Nachteil des automatischen Zab ist die Tatsache, dass sich dieser immer nach dem größten Zeichen in der Zeile richtet. Hat man beispielsweise einem kleinen Aufzählungszeichen eine größere Schriftgröße zugewiesen, verändert dies den Zab für die ganze Zeile.
  3. die 120 Prozent verändern, indem Sie im Fenster Absatz Satz-Feineinstellungen · Autom. Zeilenabstand den Prozentwert verändern

Ob sich der Zab auf den gesamten Absatz oder nur auf eine Zeile anwenden lässt, ist von Ihren Voreinstellungen abhängig. Aktivieren oder deaktivieren Sie dafür in den Voreinstellungen Eingabe den Befehl Zeilenabstand auf ganze Absätze anwenden.

 

Fazit: Die Regeln und Ausnahmen

  1. Achten Sie auf die tatsächliche Größe. Viele Schriften wie zum Beispiel Schreibschriften sind deutlich kleiner als die angegebene Schriftgröße. Hier sollte man den Zeilenabstand also entsprechend kleiner wählen.
  2. Der Zab sollte mindestens so groß sein, dass sich die Ober- und Unterlängen zweier übereinander stehender Zeilen auf keinen Fall berühren.
  3. Die Größe der Mittellänge ist ein ungefährer Anhaltspunkt für den Abstand zwischen Grundlinie von Zeile 1 und Oberlänge von Zeile 2.
  4. Je größer die Schrift, umso kleiner im Verhältnis der Zab.
  5. Der Zab sollte immer im Zusammenhang mit der Zeilenbreite und den Steggrößen, also den Freiräumen um den Satzspiegel herum gewählt werden. Je länger die Zeilen, umso größer der Zab. Je größer der Zab, umso größer die Stege.
  6. Auch ein negativer Durchschuss ist manchmal zu empfehlen wie zum Beispiel bei einer großen Schriftgröße und gleichzeitig geringer Kegelausnutzung.
  7. Bei ungewöhnlichen Glyphen, wie reinem Versalsatz oder Ziffernsatz, muss man den Zab individuell anpassen.
  8. Serifenbetonte Schriften vertragen eher einen größeren Zab.
  9. Manchmal sind unterschiedliche Zeilenabstände sinnvoll. Bei einer dreizeiligen Headline, von der es nur in einer Zeile Unterlängen gibt, zeigt sich eine individuelle Anpassung der Zeilen als Vorteil.