Das scharfe S oder auch Eszett ist ein Zeichen des deutschen Alphabets und gleichzeitig eine Eigenart der deutschen Sprache. Da diese Spezialität in anderen Sprachen unbekannt ist, fehlt das Zeichen auch häufig, wenn Sie eine Schrift verwenden, die von ausländischen Typografen gestaltet wurde – zumindest bei den kostenlosen Fonts.

Beispielt Text mit Scharfem S

Beispiel Schriftart ohne scharfem S
Je nach Schrift erscheint statt des ß eine Lücke

Entstehung und Form des scharfen S

Stark verkürzt wiedergegeben gibt es zwei Theorien zur Entstehung des scharfen S. Die eine besagt, dass es sich bei den gebrochenen Schriften um eine Ligatur, also einer Buchstabenverbindung von langem S und dem Z mit Unterlänge, handelt. Die andere besagt, dass sich die Ligatur innerhalb der Antiqua-Schriften aus langem S und rundem S entwickelt hat.

Font "Moderne Fraktur" inklusive scharfem S
Das lange S in der Modernen Fraktur
Schaubilder der Entstehung des scharfem S
Die Entstehung des scharfen S aus langem S und Z sowie aus langem S und rundem S

Einsatz von kleinem und großem scharfen S

Jahrzehntelang wurde das ß lediglich als Gemeine verwendet und beim Versalsatz durch SS ersetzt – ganz einfach deswegen, weil die Glyphe des Versal-ß nicht in den Fonts vorhanden war, auch wenn es bereits vor 13 Jahren in den Unicode-Standard aufgenommen wurde. Erst 2017 hat es das Versal-Eszett ganz offiziell in die amtliche deutsche Rechtschreibung geschafft. Im Zuge dessen findet man nun immer mehr Schriften, die ein Versal-ß enthalten.

SS vs. ß
Die übliche Variante – man umgeht das Versaleszett mit einem Doppel-S

Der Streit ums Versal-ß

In der Praxis gibt es leidenschaftliche Verfechter und entschiedene Gegner vom Versaleszett. Es gab Petitionen für und gegen das Zeichen. Die Befürworter legen ganz besonderen Wert auf seinen nach so vielen Jahren offiziellen Einsatz. Die Gegner beschreiben das Versaleszett als häufig unästhetisch, womit sie sicherlich bei dem einen oder anderen Exemplar recht haben. Manche Varianten passen so wenig ins Schriftbild, dass man aus optischen Gründen lieber darauf verzichtet – nicht zuletzt ist die Gestaltung eines kursiven Versaleszett eine typografisch sehr große Herausforderung. Inzwischen haben sich vier Basisformen durchgesetzt. Vor allem die optische Abgrenzung zum großen B – und in seltenen Fällen auch zum griechischen Beta – fällt häufig schwer. Und das wiederum kann auch für Irritationen beim Leser sorgen. Nicht zuletzt ist der Mensch ein Gewohnheitstier, und der handelsübliche Leser stolpert häufig schon allein deswegen über das Zeichen, weil es ungewohnt ist.

Vergleich scharfes S und großes B
Der Unterschied zum B ist je nach Schrift mehr oder weniger deutlich – und wird schwerer, wenn B und ß nicht im direkten Vergleich zu sehen sind
Beispiel eines kursiven, scharfen S
Besonders die kursive Variante ist ästhetisch oft schwierig

Einsatz des großen scharfen S – ja oder nein?

Die Antwort auf die Frage nach ja oder nein heißt vielleicht. Sie können, Sie müssen aber nicht. Natürlich können Sie nur dann ein Versal-ß verwenden, wenn die Glyphe in der verwendeten Schrift vorhanden ist. Für den Einsatz des Versal-ß spricht die Tatsache, dass manche Worte missverständlich sein könnten. Die Klassiker sind Buße oder Busse genauso wie Maße oder Masse oder auch das fast identische Urlaubspass oder Urlaubsspaß – hier entscheidet das SS bzw. das ß über das Verständnis. Allerdings sind das die typischen, bekannten Ausnahmen.

Entscheiden Sie also beim Versalsatz nach Verfügbarkeit, nach Optik sowie nach eventuell zu vermeidenden Missverständnissen. Auch aktuell können Sie immer auf den Ersatz mit dem Doppel-S zurückgreifen, ohne damit einen orthografischen Fehler zu begehen. Und darauf bauen, dass sich das Versal-ß in den nächsten Jahren mehr etabliert. Das kleine ß als Ersatz sollten Sie allerdings in jedem Fall beim Versalsatz vermeiden.

Do's and dont's mit kleinem und großem, scharfem S

Das scharfe S in der deutschen Rechtschreibung

Die neue deutsche Rechtschreibung gibt eine leicht zu durchschauende Lösung für die Frage nach SS oder ß an:

Das scharfe S wird nach einem betonten langen Vokal verwendet, also Straße oder Soße genauso wie nach einem Doppelvokal (Diphthong), also nach au, ei, eu etc. Somit schreiben wir beißen und nicht beissen. Und ein daß gibt es in der deutschen Rechtschreibung gar nicht mehr.

Wie komme ich an das scharfe S ran?

Während das gemeine ß auf jeder Tastatur zum Standard gehört, ist das Versal-ß nicht so einfach zu finden. Windows-Anwender können das Versal-ß mit dem Kurzbefehl [Alt Gr] + [Shift] + [ß] tasten.

Die Mac-Anwender müssen das Versal-ß über Umwegen wie über die Symbole raussuchen oder in Layoutprogramme wie InDesign mit der Glyphentabelle arbeiten.

Der Klick auf Großbuchstaben wechselt vom kleinen ß zum großen SS – unabhängig vom Zeichenumfang der Schrift

Wer Adobe InDesign im Einsatz hat, kann bekanntermaßen per Befehl Großbuchstaben den markierten Text automatisch von Klein- in Großbuchstaben vornehmen. Enthält der Text ein gemeines ß, wandelt InDesign dieses automatisch in ein zusammenhängendes SS um und lässt auch ein einzelnes Markieren gar nicht zu. Dies ist leider auch dann der Fall, wenn der verwendete Font über ein Versaleszett verfügt.

Um zu prüfen, ob die Schrift ein Versaleszett hat, genügt es also nicht, die Straße in Versalien umzuwandeln und das Schriftmenü durchzurattern – um das manuelle Auswählen in der Palette Glyphen kommt man nicht herum. Wer allerdings eine Schrift mit Versaleszett gefunden und die Glyphe einmal manuell zugewiesen hat, kann das Wort markieren und dann das Schriftmenü öffnen und sich in der Vorschau ein Bild über den Zeichenumfang der Schrift machen.

Zeigt InDesign in der Schriftvorschau bei markiertem Versaleszett nur „Sample“, verfügt die jeweilige Schrift nicht über das Zeichen. Taucht hier aber das markierte Wort auf, kann man in dieser Schrift von einem Versaleszett ausgehen

Einige kostenpflichtige Schriften haben das große scharfe S inzwischen integriert. Auch beim Zeichensatz einiger kostenlose Schriften wie der PT Sans, der Linux Libertine, der Gentium Plus oder der DejaVu Sans ist es mittlerweile enthalten.

Schreibregeln in der Mikrotypografie